Die Geschichte des Kölner Gamelan Kyai Sangu
Die Kölner Gamelan-Instrumente hatten
eine lange Reise und eine wechselvolle Lebensgeschichte hinter
sich, bevor sie Ende 1997 in den Besitz des
Rautenstrauch-Joest-Museums gelangten. Die Instrumente wurden um
die Jahrhundertwende mit großer Wahrscheinlichkeit in
Klaten gebaut, einer Stadt in Mitteljava, die für ihre
Gamelan-Werkstätten bekannt ist. Der erste Besitzer war ein
Zuckerfabrikant, der die Instrumente anschaffte, um seinen
Mitarbeitern nach Feierabend die Möglichkeit zu geben, sich
gemeinsam beim Musikmachen zu entspannen. Dies war auf Java zu
dieser Zeit keine Seltenheit, es gab viele Fabriken und Betriebe,
die auf diese Weise für ein gutes Betriebsklima sorgten.
Nachdem die Zuckerfabrik geschlossen wurde, stand der Gamelan
zunächst bei einem javanischen
Antiquitätenhändler, und von dort aus brachte ihn ein
Kölner Händler zu Sotheby's nach London. Dort fand sich
lange Zeit kein Käufer, und so besann sich der Händler
auf seine Freunde in Köln, die sich bereits der
Gamelan-Musik verschrieben hatten. Sie spielten auf den
Instrumenten der Indonesischen Botschaft in Bonn. Ihnen bot der
Händler seinen Gamelan zum Kauf an. Die Freunde fuhren nach
London, um sich von der Qualität des Gamelan Kyai Sangu zu
überzeugen und nahmen Kontakt mit dem
Rautenstrauch-Joest-Museum auf. Die stellvertretende Direktorin
und Leiterin der Indonesien-Abteilung, Dr. Jutta Engelhard, hatte
großes Interesse am Kauf. Es gelang ihr schnell, einen
Sponsor zu finden: Die Kulturstiftung der Kölner
Kreissparkasse stellte die finanziellen Mittel zur
Verfügung, und so erreichte Ende 1997 Gamelan Kyai Sangu die
vorläufig letzte Station seiner Odyssée: das
Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.
Denkt man an die Lebensgeschichte der Instrumente, so hat sich
die Bedeutung ihres Namens bewahrheitet. Denn Sangu heisst soviel
wie Reiseproviant und Kyai ist die übliche Anrede für
einen Gamelan, der wie eine Person angesehen und verehrt wird.
Wörtlich übersetzt heißt Kyai Herr. Allein das
Wort "Reiseproviant" reicht jedoch nicht aus, um alle
Assoziationen zu vermitteln, die ein Javaner mit dem Wort Sangu
verbindet. Sangu ist das Schulbrot, das Taschengeld, die Mitgift,
wenn man es von der materiellen Seite her betrachtet. Es gibt
aber auch die immaterielle Bedeutung des Wortes Sangu: Z.B.
bezeichnet man das Gebet, das die Familie spricht, wenn ein
Angehöriger auf eine lange Reise geht, als Sangu. Die guten
Wünsche des Gebets sollen Reisebegleiter und Proviant sein
und dafür sorgen, daß der Reisende heil
zurückkehrt. Auch wenn jemand stirbt und seine Reise ins
Jenseits antritt, spricht die Familie gemeinsam das Sangu-Gebet.
Und es gibt eine dritte Bedeutung: Sangu nennt man all das, was
Erwachsene Kindern mit auf den Lebensweg geben.